Da ist er also nun, der neue Film von James Cameron. Zwölf Jahre hat er gebraucht, um nach „Titanic“, „Aliens“ und „Terminator“ den nächsten Kinomeilenstein zu fabrizieren. Für „Avatar“ hat Cameron wieder keine Mühen gescheut, das Ganze richtig groß und bombastisch aussehen zu lassen. Aber ein Meilenstein?
Tricktechnisch auf jeden Fall. Rauf die 3-D-Brille (das geht derweil freilich nur im Kino), das dadurch hervorgerufene leichte Augenbrennen flugs ignorieren und abtauchen in eine Fantasiewelt, wie sie eigentlich nur Cameron erfinden kann. Wer sonst käme auf die Idee, ein fiktives Völkchen auf einem fernen Planeten, das von Menschen in seiner Existenz bedroht wird, wie einen untergehenden Indianerstamm zu inszenieren? Wohl nur jemand, der mit seinen Filmen nichts weiter will, als die amerikanische Wirklichkeit wiederzugeben, und sei das Setting noch so künstlich. In selbst erdachten, metaphorischen Geschichten reflektiert Cameron stets den Zustand seiner Heimat-Nation. „Avatar“ ist somit schon fast Autorenkino im klassischen Sinn. Aber eben nur fast.
Denn Cameron schielt natürlich auf die Popcorn-Zielgruppe. „Avatar“ erzählt daher auch nichts weiter als eine Boy-Meets-Girl-Variation vor dem Hintergrund einer drohenden Invasion. Weil auf dem fernen Planeten Pandora ein wertvolles Erz für die Menschen unendlichen Reichtum verspricht, müssen die dortigen menschenartigen, blauhäutigen Ureinwohner, genannt Na'vi zur Umsiedelung gebracht werden. Das versucht man mit Avataren, die diesen Wesen gleichen, aber von den Gehirnen von Menschen gesteuert werden. Sie sollen sich Zugang in die Stammeskreise verschaffen und so die Na'vi zur Absiedelung überreden. Dem Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington) gelingt es als einzigem, bis in den Na'vi-Stamm vorzudringen und auch Akzeptanz zu finden. Zumal es dort die schöne Na'vi-Frau Neytiri (Zoë Saldana) gibt, die ein Auge auf ihn geworfen hat.
Während sich Sully also mit den Na'vi herumtreibt und lernt, einer von ihnen zu werden (fantastische Tiere reiten, fliegen und jagen; spirituelle Verbindungen zu Bäumen herstellen und dergleichen) und sich in Neytiri verliebt, treibt die Forscher die Ungeduld an. Weil Sullys Einschleuseaktion zu lange dauert, soll der ganze Haufen „blauer Affen“ (einer der Militäranführer) ein für alle Mal ausgebombt werden. Die Schlacht beginnt.
Camerons farbenfrohe CGI-Orgie im Fantasyland ist ein Fest für die Augen (vor allem in 3-D!) und zugleich eine überlange Schulstunde in US-Kulturgeschichte: Wer als unwissender Teenager nach dem Film in den Geschichtsbüchern nachschlägt, erkennt viele Motive wieder, die Cameron da ungeniert zusammenbringt: Von der Enteignung der Indianer über Vietnam-, Golf- und Afghanistan-Krieg bis zum gespenstischen Schlachtfeld von „Ground Zero“ – alles drin, alles perfekt animiert. Die Protagonisten und Antagonisten sind – typisch für das Mainstream-US-Kino – als einfältige Stereotypen gezeichnet, denn dem Effekt gehört die Show. Also: Ja, ein technischer Meilenstein, der sogar die eine oder andere Emotion transportiert. Aber als Erzählkonstrukt meilenweit entfernt von dem, was man im Kino ein Meisterwerk nennt.
Eine Frage bleibt noch: Wie kommt es eigentlich, dass es offenbar keinen Sci-Fi-Film mit Aliens gibt, in dem Sigourney Weaver nicht vorkommt? Ist sie am Ende gar nicht von dieser Welt? Wahrlich ein Mysterium.
Quelle: Archiv/ Presseheft